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Rock'n'Roll Music

Puhdys

℗ 1977 Hansa Records 28 718 OT

Puhdys • 1977 • Rock'n'Roll Music

Fangen wir von Anfang an. Ich glaube an Gott. Es ist ja unvorstellbar, dass alles auf der Erde so schon ist, ohne dass es einen Schopfer gibt, der es so schon geplant hat. Der Nichtglaubige wurde hier sagen, dass es uns alles nur so schon vorkommt, weil wir keinen Vergleich haben, und wenn sich alles anderes entwickelt hatte, wurden wir das auch schon finden. Quatsch. Glauben Sie es mir: wenn die Musik und die Frauen und die Blumen nicht so schon waren, wurde ich zumindest das merken. Also: einen Gott gibt es. Aber eine richtige Religion? Lass mich uberlegen..... ja, ich glaube Lemmy hat meine Religion am besten beschrieben: "Don't you listen to a single word against rock'n'roll/the new religion/the electric church/the only way to go." Und ich wei?, dass es Millionen von Glaubigen gibt, fur die der Rock'n'Roll die gleiche Rolle spielt, die altere Religionen fur Milliarden anderer Menschen spielen: Wir verlassen uns darauf, wenn die Fragen des Lebens zu gro? und kompliziert werden.

Soweit zu dem tieferen Hintergrund. Das 4. Puhdys Album "Rock'n'Roll Music" wurde 1977 in der DDR veroffentlicht, kurz danach auch in der BRD. In den Liner-Notes zu meiner 1981 Amiga-Nachpressung erzahlt Keyboarder Peter Meyer wie das Album mit nachgespielten 50's Rock'n'Roll-Liedern zustande kam: "Irgendwann haben wir.... einfach mal ein Rock-Medley fur unsere Live-Konzerte zusammengestellt. Und das hat uns auf der Buhne und den Leuten im Saal dann solch einen Mordsspass bereitet, dass wir auf die Idee kam: Mensch, da machen wir eine Platte draus." Uriah Heep wurde nicht erwahnt, aber angesichts der Ahnlichkeit fruherer Puhdys-Lieder wie "Turen offnen sich zur Stadt" oder "Geh dem Wind nicht aus dem Wege" zu Heep-Hits wie "Gypsy" und "Bird of Prey", vermute ich, dass auch hier die Heepsters eine Vorbildsfunktion geleistet haben, mittels ihres Rock'n'Roll-Medleys auf der 4. Seite ihres 1973 Konzert-Doppelalbum.

Vielleicht war aber ein wichtiger Faktor - und hieruber wurde ich gerne mal eines Tages mit den Puhdys selber sprechen - das Gefuhl, dass ihr Publikum Nachholbedarf hatte. Als Amerikaner kenne ich mich nicht so gut aus, aber ich bekomme den Eindruck, dass in der DDR die Puhdys eine der ersten ernstzunehmenden Rockbands waren, und vielleicht wollten sie mit "Rock'n'Roll Music" den Massen zeigen, wo die Wurzeln liegen, wo sie als Musiker die Inspiration gefunden haben. Elvis und Buddy Holly kannte ja jeder, aber auch ein paar relativ obskure Titel (z.B. "Tallahassee Lassie" von Freddy Cannon) finden sich auf der Platte.

Die genauen Texte fur solche Lieder heraus zu finden war, wie Meyer in den Notes erklart, nicht so einfach. Auch wenn man Englisch-Muttersprachler ist, sind Rock'n'Roll Lieder oft schwer zu verstehen. Die Puhdys haben selbst Chuck Berry nach dem Text zu "Brown Eyed Handsome Man" gefragt; Er wusste ihn auch nicht mehr. Die Puhdys-Fehler sind manchmal harmlos ("Long Tall Sally, she's pretty sweet", anstatt das richtige "Long Tall Sally, she's built for speed"), manchmal charmant ("My Tallahassee Lassie, down in L.A.", oder vielleicht "Adelaide", anstatt "FLA", die Abkurzung fur Florida - das arme Madel findet sich so oder so an der falsche Kuste). Und manchmal wurde sogar verbessert, wie in "Party", wo das vollig ratselhafte "I can shake a chicken in the middle of the room" zum bildhafteren "A cat got a chicken in the middle of the room" wurde.

Die Textanderungen sind interrasant. Wenn Die Puhdys einen Text nicht richtig verstehen konnten, warum haben sie nicht ein anderes Lied genommen oder aufgegeben? Der Wille, dieses Projekt mit diesen Liedern durchzusetzen, muss ziemlich gro? gewesen sein.

Was auch immer die Motivation war, "Rock'n'Roll Music" war ein Riesenerfolg. Man sagt mir, sie sei eine der meistverkauften Platten in der DDR-Geschichte, und wenn man die Platte hort, ist das nachzuvollziehen. Einige Lieder spielen die Puhdys etwas harter, namlich "Good Golly Miss Molly", "Hound Dog" und das "Long Tall Sally"-Medley (die fur mich denn gleich zu den Hohepunkten gehoren). Und "Do You Want To Dance" hat einen ganz leichten Disco-Touch, der nur aus den Siebzigern kommen konnte. Aber sonst blieben sie den Originalversionen sehr treu, verbluffend bei dem Gebruder-Everly-Evergreen "Bye Bye Love" oder Tommy Roe's Buddy Holly-Hommage "Shelia". Die Puhdys, 1A Musiker, hatten sich aus dem Stehgreif neue Arrangements ausdenken konnen, wollten aber diese zeitlosen Lieder in ganz simplen Arrangements spielen, so dass jeder Zweibeiner tanzen musste. Mordsspass, und darin liegt der Erfolgsgrund der Platte, ganz schlicht und einfach.

So glaubte ich, und so will ich glauben. Letztens hat aber ein Freund von mir, ein Westdeutscher, die Theorie vorgeschlagen, dass der Erfolg des Albums weniger mit der Musik zu tun hatte als mit der Tatsache, dass sie etwas Exotisches und nicht sehr Zugangliches in der DDR darstellte: amerikanische Kultur. Als er das sagte, hat mein Freund sogar erwartet, dass ich als Ami stolz daruber sein wurde. Denkste!

Wenn Rock'n'Roll meine Religion ist, hei?t das, dass die U.S.A. so etwas wie ein heiliges Land sind? Ich will nein sagen, fest steht aber: Die Musik wie wir sie kennen ware nicht in einem anderen Land zustande gekommen. Zumindest in ihrer Geburtsform ist sie eng mit dem Riesenauto, dem Hamburger und der Konsumkultur verbunden. Und mit Coca-Cola. Als ich neulich America's funniest Punks, die Dickies in Stra?burg sah, trank Sanger Leonard Graves Phillips (den ich personlich fur ein Genie halte) aus einer Coca-Cola-Flasche. Einige franzosische Punks schimpften ihn: Fuuk Coca-Cola! Sein Antwort: "Oh, it's like that, is it? WHAT ARE YOU, A BUNCH OF COMMUNISTS? IT'S COCA-COLA!" Fur ihn gehorte die Flasche selbstverstandlich auf der Buhne. Und wenn die Puhdys Chuck Berry nach dem Text zu einem seiner besten Lieder ("Back in the U.S.A.", was vermutlich fur die "Rock'n'Roll Music"-Platte nicht in Frage kam) gefragt hatten, hatte er bestimmt ganz schnell antworten konnen: "I'm so glad to be living in the U.S.A./Anything you want, they got it right here in the U.S.A." So einfach nennt Chuck den Grund, warum hunderte Millionen Leute - beide innerhalb und au?erhalb Amerikas - diese Konsumkultur immer noch lieben. Ich bin sehr sentimental (ich meine, sehr sentimental - das singende Stofftier "Rockin' Rudi" von Feindbild McDonald's spricht mich an) und habe sie teilweise selber sehr gerne.

Als ich das WTC-Attentat im Fernsehen sah, gingen mir naturlich viele Gedanken durch den Kopf. Vor allem das Leid der Opfer, aber die schreckliche Wahrheit ist, Tausende von unschuldigen Menschen sterben jeden Tag, und ich will nicht erst daruber weinen, wenn sie meine Landesleute sind. Ich dachte auch an die Konsumkultur, die wir genie?en, auf Kosten der Drittlander, fur die zuwenig Ressourcen ubrig bleiben, obwohl diese oft aus ihren eigenen Landern stammen. Knapp drei Monate nach den Attentaten klingt es vielleicht schon wieder undenkbar, sogar lachhaft ubertrieben, aber am 11.9. war alles denkbar, und ich fragte mich: wenn das hier der Anfang vom Ende ist - und damit meine ich, das Ende von der Konsumkultur - werde ich zurechtkommen? Es tut mir extrem weh, Michael Stipe ("It's the end of the world as we know it/and I feel fine") in irgendeiner Art zuzustimmen, und ich glaube, er wurde genauso unfreiwillig wie ich in ein System wechseln, in dem wir nicht alles, was wir uns leisten konnen, kaufen konnen. Aber wenn es zu einem solchen Wechsel kame, konnte ich im Gro?en und Ganzen sagen: es ist okay, ich liebe die Konsumkultur nicht.

Aber - und Sie wissen, was jetzt kommt - ich liebe Rock'n'Roll. Deswegen will ich wissen, dass der Rock'n'Roll gro?er als die Kultur ist, aus der er kam. Dass diese Musik ein Kind ist, das wie alle Kinder von seinen Eltern zwar gepragt ist, seine Eltern aber nicht mehr braucht. Kann man Rock'n'Roll von der Konsumkultur und dem Kapitalismus trennen?

Fur (International) Noise Conspiracy lautet der Antwort naturlich: Ja. Sie singen es sogar ausdrucklich in "Capitalism Stole My Virginity": "But now we are unsentimental and unafraid to destroy this culture that we hate." Sie uberzeugen mich aber nicht, weil sie es nicht einmal fur notig halten, von spezifischen, konkreten Lebenssituationen zu reden. Okay, vielleicht doch zweimal: "I don't mind breaking Starbucks windows" und "We are waiting for what this culture fears/The end of dress codes, pants/skirts" (ich frage mich, ob die Abschaffung der Kleiderregeln fur Manner und Frauen nicht in manchen anderen Kulturen eher gefurchtet wird, aber egal). Das letzte Album von der Noise Conspiracy, "A New Morning, Changing Weather", ist ein Genuss, und solche Bands, die uns mit voller Uberzeugung auf die philosophischen und literarischen Grundlagen unserer Situation hinweisen, haben wir notig. Wirkliche soziale Veranderungen, in welche Richtung auch immer, werden aber eher von denen verursacht, die sich nicht auf Dogmen verlassen. Man denkt an die "Velvet Revolution" in der Tschechoslowakei, deren Teilnehmer Inspiration in den Texten der Velvet Underground fanden, obwohl diese zumindest an der Oberflache kaum etwas mit politischer Revolution zu tun haben. Oder an Bob Dylan, der zu einer noch wichtigeren Figur wurde, nachdem er die politische Folk-Musik hinter sich liess, was zu Kritik von vielen weniger bedeutenden Protestsangern fuhrte. Fazit: der Kunstler muss auch mit den Leuten kommunizieren, die keinen Bock haben, Chomsky und Baudrillard und Amin zu lesen - mit mir, beispielsweise.

Viel uberzeugender als "Capitalism Stole My Virginity" finde ich deshalb diese vier Worter von Buzzcocks' Pete Shelly: "I hate fast cars". Das ist etwas, das ganz im Gegensatz zu den meisten Rock'n'Roll-Klassikern steht, ist aber selbst Teil eines Rock'n'Roll-Klassiker. Ein Satz also, der die Grenzen des Rock'n'Rolls erweitert. Er verpflanzt die Musik nicht in eine andere Kultur, aber vielleicht in eine andere Denkweise.

Manche werden hier zurecht an John Lennon denken: "Imagine no possessions/I wonder if you can". Ein weiteres Bespiel fallt mir spontan ein: "I Was Wrong" von Social Distortion. Wenn eine Revolution wirklich von innen anfangen muss, muss jeder Teilnehmer die Fahigkeit haben, "ich lag falsch" zu sagen. Es gibt aber insbesondere im Punk-Rock kaum Lieder, die das so direkt und ehrlich sagen. Naturlich sangen die Crickets und Bobby Fuller und Joe Strummer "I fought the law, and the law won", es ist aber nicht nur in der Clash-Version zu verstehen, dass das Rechtsystem zu unrecht gewonnen hat. Social Distortions Mike Ness (den ich personlich fur ein Genie halte) singt: "I realize now that I was wrong". Ein kleiner Schritt fur die Menschheit, ein gro?er Schritt fur die Musik.

Solche Schritte sind in den Texten auf der Puhdys "Rock'n'Roll Music" Platte naturlich nicht zu finden. Aber wenn uberhaupt eine Platte mich uberzeugen kann, dass Rock'n'Roll weder von einer Kultur noch von einem System begrenzt werden kann (um es ehrlicher auszudrucken: dass ich als Glaubiger kein Angst haben muss, vor den vielleicht unvermeidlichen sozialen Veranderungen den nachsten Jahren und Jahrzehnten), ist es diese Platte. Die Puhdys haben ja in einem anderen System, dem das DDR, gelebt. Ich kann nicht beurteilen, ob dieses System so grundsatzlich anders war, ob es besser oder schlimmer war, als das, das ich kenne. Solche Beurteilungen kann ich (wie ubrigens alle Westdeutschen auch) nur von den Menschen erfahren, die jetzt in beiden Systemen gelebt haben. Ich glaube aber, dass das System der DDR zumindest nicht die Idee forderte, dass man sich mit Kaufen und Verbrauch glucklich machen kann. Die Puhdys haben es damals geschafft, Rock'n'Roll in dieses System zu verpflanzen. Deswegen sind sie fur mich so etwas wie Helden. — Mike Lehecka.

Тексты:

Donna

(Ritchie Valens)

Oh Donna
Oh Doonna
Oh Donna
Oh Donna

I had a girl Donna was her name
Since she left me
Well I've never been the same
'Cause I love my girl
Donna where can you be

And now that you're gone
I'm left here all alone
All by myself to wander and roam
How I love my girl
Donna where can you be

Oh Donna
Now that you're gone
I don't know what to do
All my love and all my kisses
Were for you, you just you

I had a girl Donna was her name
Since she's been gone
I've never been the same
'Cause I love my girl
Donna where can you be

Oh Donna
Now that you're gone
I don't know what to do
All my love and all my kisses
Were for you

I had a girl Donna was her name
Since she's been gone
I've never been the same
I love my girl
Donna where, where can you be
Oh Donna, Oh Donna, Oh Donna, Oh Donna

Good Golly Miss Molly

(Charles Calhoun)

Good golly miss Molly, sure like to ball.
Good golly, miss Molly, sure like to ball.
When you're rockin' and a rollin' can't hear your momma call.

From the early early mornin' till the early early night
You can see miss Molly rockin' at the house of blue light.
Good golly, miss Molly, sure like to ball.
When you're rockin' and a rollin' can't hear your momma call.

Well, now momma, poppa told me: "Son, you better watch your step."
If I knew my momma, poppa, have to watch my dad myself.
Good golly, miss Molly, sure like to ball.
When you're rockin' and a rollin' can't hear your momma call.

I am going to the corner, gonna buy a diamond ring.
Would you pardon me if it's a nineteen carat golden thing.
Good golly, miss Molly, sure like to ball.
When you're rockin' and a rollin' can't hear your momma call.

Good golly, miss Molly, sure like to ball.
Good golly, miss Molly, sure like to ball.
When you're rockin' and a rollin' can't hear your momma call.
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